aus längst vergangenen Tagen

Karmann Ghia - haute couture

1955 - Der VW Karmann-Ghia Coupé wird VW-Händlern und Journalisten vorgestellt. Bereits kurz nach der Veröffentlichungsfeier am 14. Juli 1955 im Kasino-Hotel Georgsmarienhütte ist festzustellen, dass die Meinungen über den Wagen auseinandergehen. Die Zeitschrift Das Auto, Motor und Sport lobt einerseits Eleganz und Solidität, hält den getesteten Typ 14 aber auch für die „Parodie eines schnellen Autos“ (Heft 11, 26. Mai 1956, S. 4).

 

Der Wagen, den das Fachpublikum am 14. Juli zu sehen bekommt, ist außen „gazellenbeige“ und innen in braunem Leder gehalten. Im darauf folgenden Monat beginnt die Serienfertigung des Typ 14 (werksintern Typ 143) auf Basis des Export- Käfers. Der von einem 30 PS starken luftgekühlten Vier-Zylinder-Boxermotor angetriebene Wagen kostet ab Werk Osnabrück 7.500 DM.

Produktionszahlen lt. Herstellerangabe: Typ 14 Coupé 385.803 / Typ 14 Cabriolet 81.053

Der Ruf des VW Karmann-Ghia wurde erst gerettet, als es schon fast zu spät war. Nach der Produktionseinstellung 1974 dauerte es nur wenige Jahre, bis der zeitlebens von Auto-Fachleuten geschmähte VW-Schönling aus Osnabrück als akzeptierter Klassiker galt. Er wurde aus dem Stand zum Instant Classic, bevor es dieses Wort überhaupt gab.


Und schon 1981, gerade mal sieben Jahre nach Produktionsende, schrieb der spätere Motor Klassik-Chefredakteur Dirk-Michael Conradt in auto motor und sport über den Karmann-Ghia als "exklusiven Gebrauchtwagen mit garantierter Wertsteigerung". Er sollte Recht behalten. Für ein gut gepflegtes und rostfreies Karmann-Cabrio der letzten Baujahre setzte er einen Wert von 6000 Mark an. Heute bewegt sich der Preis für ein entsprechendes Exemplar in Richtung der   15 000-Euro-Grenze.


Die schnelle Karriere zum Automobil-Klassiker ist dem Karmann-Ghia nicht leicht gefallen. Was womöglich an einem großen Missverständnis lag. Die moderne, sportliche Coupé-Karosserie und wohl auch der italienische Beiname verführten viele Zeitgenossen der frühen Karmann-Jahre zu dem Irrglauben, es handele sich dabei um einen Sportwagen.


So gesehen musste der Karmann-Ghia von 1955 enttäuschen. Denn unter dem rundlichen Blech arbeitete unveränderte Käfertechnik. 1192 Kubikzentimeter, aufgeteilt in vier flach liegende Zylinder, lieferten gerade mal 30 PS, die freilich keine Bäume ausreißen konnten. Zumal das Karmann-Coupé rund 100 Kilogramm schwerer geriet als ein Standard-Käfer. Kein Wunder also, dass der Karmann rund eine halbe Minute benötigte, um aus dem Stand auf 100 km/h zu beschleunigen und nach langer Anlaufzeit eine Höchstgeschwindigkeit von 118 km/h zu erreichen. Damit zählte man auch 1955 zu den gerade mal ausreichend motorisierten Verkehrsteilnehmern.

Daten & Fakten

 

Motor: Vierzylinder-Boxermotor, luftgekühlt, Bohrung x Hub 77 x 64 mm, Hubraum 1192 cm3, 30 PS bei 3400/min, max. Drehmoment 77 Nm bei 3100/min, eine untenliegende Nockenwelle, über Stirnräder angetrieben, Ventile über Stößelst. und Kipphebel betätigt, ein Fallstromvergaser Solex 28 PCI, Druckumlaufschmierung mit Olkühler
Kraftübertragung: Heckmotor, Hinterradantrieb, Einscheiben-Trockenkupplung, teil-synchronisiertes Viergang-Schaltgetriebe
Karosserie/Fahrwerk: Plattformchassis mit verschraubter, mittragender Stahlblechkarosserie, Einzeradaufhängung vorn an Kurbellenkern, Drehstäben und Stabilisator, hinten an Längslenkern und Drehstäben, Teleskopdämpfer, vier Trommelbremsen, Reifen 5.60 - 15

Maße/Gewicht *: Radstand/Länge 2400/4140 mm, Breite/Höhe 1630/1325 mm, Leergewicht 835 kg (voll getankt)

Fahrleistungen/Verbrauch *: 0 bis 100 km/h 32 s, Höchstgeschwindigkeit 118 km/h, Testverbrauch 8,1 Liter/100 km
* Alle Werte auto motor und sport 11/1956

immer wieder Karmann-Typen im Angebot: Kieft`n`Klok

Immerhin reichte es, um die Scharen der Goggo und Isetta in Schach zu halten, die sich zeitgleich mit dem Karmann-Ghia anschickten, die Bundesrepublik zu modernisieren. Das rief Spötter auf den Plan, die den Karmann als Hausfrauen-Porsche oder schlicht als Blender abtaten.


Dabei hätten sie nur Werner Oswald lesen müssen, der im ersten Test des neuen VW-Coupes in auto motor und sport 11/1956 dessen Charakter genau erfasste und befand: „Am glücklichsten mit dem Karmann-Ghia werden diejenigen Kunden sein, die wissen, dass sie davon weder extreme Fahrleistungen noch überdurchschnittliche Fahreigenschaften verlangen können, sondern dass beide in durchaus normalen, die meisten Bedürfnisse vollauf befriedigenden Grenzen bleiben.“


Es waren die Bedürfnisse der bessersituierten Gattinnen, die keine Kinder auf den Rücksitzen transportieren mussten, sondern höchstens einen Pudel, wie es zeitgenössische Werbefotos nahe legen. Anscheinend gab es davon recht viele, denn der Karmann-Ghia verkaufte sich gut genug, um 19 Jahre lang im Angebot zu bleiben.


Immerhin 468872 Exemplare wurden in dieser Zeit gebaut, und genau 112333 in Deutschland zugelassen. Eine beachtliche Stückzahl also, die jedoch die Zahl der Karmann-Spötter und -Verächter nicht verstummen ließ.


Womöglich ist es heute leichter, dem Charme des Karmann zu erliegen. Jetzt, da man ihn nicht mehr so ernst nehmen muss wie etwa Reinhard Seiffert in dem Coupe-Vergleichstest in auto motor und sport 12/1966. Damals musste sich der inzwischen auf 40 PS erstarkte Karmann mit Fiat 850 Coupé, Ford 12 M TS und Opel Kadett B Coupe& messen lassen. Denn auch das ist ein Beleg dafür, dass das Osnabrücker Coupé von ernsthaften Automobilisten nicht für voll genommen wurde:

Die Gastspiele in den Testfuhrparks der Automagazine waren für ein so lange gebautes Modell ausgesprochen rar. Der Vergleichstest von 1966 war eine der wenigen Ausnahmen. Gegen die um ein Jahrzehnt jüngere Konkurrenz von Fiat, Ford und Opel hatte der Karmann-Ghia als leistungsschwächstes und teuerstes Auto nicht den Hauch einer Siegchance.


Der Karmann-Ghia hat immer noch den Vorzug, ein VW im Sonntagsanzug zu sein“, resümmierte Seiffert. „Nur ist es eben ein Sonntagsanzug von 1955, und bei so teuer bezahlten Kleidern möchte man doch lieber etwas mit der Mode gehen.“ Die Karmann-Kunden schien das wenig zu bekümmern, der Jahrgang 1966 geriet zum Rekord-Modelljahr: 33 782 Exemplare wurden gebaut - so viele wie nie zuvor. Erst 1969 wurde diese Marke mit 34 358 Einheiten knapp überboten.


Danach sanken die Verkaufszahlen jedoch rapide. Im letzten Baujahr 1974 wurden gerade noch knapp 7000 Autos ausgeliefert. Eher kontraproduktiv dürfte sich auch das letzte Facelift zum Modelljahr 1971 ausgewirkt haben. Zwar wuchs die Leistung mit Einführung des 1600er-Motors auf 50 PS, doch die eckigen Stoßfänger und die großen Rückleuchten der Typ 3-Limousine passten nicht so recht zu den weichen Rundungen der Karmann-Karosserie.


Heute versöhnen die Jahre mit dem unharmonischen Auslaufmodell. Und es gibt gar Karmann-Freunde, die ihren Ghia nur in dieser Form haben wollen, so wie es eben auch Fans des Gummilippen-Spider von Alfa und des Gummiboot-MGB gibt.


Zierlich und fragil wirken dagegen die Urmodelle von Karmann-Coupé und Cabriolet aus der Epoche vor der ersten Modellpflege von 1959. Sie stehen auf schmalen Diagonalreifchen, die mit ihren Weißwandringen ein wenig nach Karussellauto aussehen. Dünne Chromröhrchen dienen als Stoßfänger, und in den Mini-Rücklichtern funzeln Sechs-Volt-Birnchen ziemlich aussichtlos gegen die Spätfrühlingssonne an.


Lackiertes Blech, großzügig verstreute elfenbeinfarbene Knöpfe und nur drei Anzeigeinstrumente erinnern im Cockpit an jene Zeit, in der man zur Bedienung eines Automobils kein Kilogramm schweres Handbuch studieren musste. Es gibt ein Zündschloss, links der Lenksäule wie bei Porsche, einen Chokezug, je einen Blinker-, Licht- und Scheibenwischerschalter. Allesamt unbeschriftet, doch nach kurzem Ausprobieren sind Verwechslungen praktisch ausgeschlossen.


Auch die Instrumentierung ist minimal: Die drei Runduhren informieren über Tempo, Uhrzeit und Benzinvorrat. Wobei man auf die Anzeige des Tankinhalts auch noch gut verzichten könnte, denn im Fußraum wartet ein altväterlicher Benzinhahn auf tankfaule Karmann-Piloten.


Das Lenkrad ist groß und dünn. Es kostet wenig Mühe, damit die schmalen Vorderräder in die gewünschte Richtung zu kurbeln. Genau so spielerisch leicht lassen sich restlichen Hebel und Pedale bedienen, die man zum Vorwärtskommen braucht. Einen deftigeren Tritt verlangen nur die servolosen Trommelbremsen, aber nach kurzer Eingewöhnung vertraut man auch den archaischen Käfer-Stoppern.


Der Motor wird heute als laut empfunden, unerreicht vibrationsfrei läuft der Boxer aber auch nach 50 Jahren noch. Und an die erwartet bescheidenen Fahrleistungen kann man sich gewöhnen. Schließlich erwartet niemand von einem 30 PS starken Motor im heutigen Verkehr Wunderdinge.

letztes Facelift 1971

Auf jeden Fall reicht das Gebotene, um nicht als Verkehrshindernis aufzufallen. Und das verhaltene Tempo lässt mehr Zeit für die kleinen Nebensächlichkeiten - den Blick über die runden Kotflügel auf die Straße, den typischen VW-Geruch aus den zu genau diesem Zweckleicht geöffneten Heizklappen und ein indifferenter Geradeauslauf, der den Fahrer immer ein wenig am Lenkrad korrigieren lässt - wie ein Schauspieler in einem 50er-Jahre-Film.

 

Was die frühen Ghia auch auszeichnet, ist dieses unnachahmliche VW-Qualitätsgefühl jener Jahre. Alles scheint aus dem Vollen geschnitzt zu sein - die Schalter Klackensatter, die Tür schnappt nachdrücklicher ins Schloss als bei so manchem Neuwagen. Dass dieses Gefühl bei der Karosserie überaus trügerisch ist, sollte man dem Wagen heute nicht mehr vorwerfen.


Er ist ein Kind seiner Zeit, und er war so lange präsent, dass man ihm eigentlich alles verzeiht. Bei seiner Markteinführung bestimmten die Aufstellung der Bundeswehr und die Heimkehr der letzten Kriegsgefangenen die politischen Schlagzeilen.


Als er klammheimlich die Bühne verließ, waren der Rücktritt Willy Brandts und der WM-Titel der Generation Beckenbauer die beherrschenden Themen. Wer mag da noch am Ruf des schönsten Volkswagen aller Zeiten herummäkeln?

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